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RA Greier erläutert auf Legal Tribune Online die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Ad Blockern

Das Geschäft mit der Werbung,
Das Internet ist voll von kostenfreien Inhalten; erkauft werden sie oft mit mehr oder weniger störender Werbung. Mittels sogenannter Ad Blocker lässt sich diese automatisch ausblenden, sehr zum Leidwesen der Verlage. Medienberichten zufolge soll es zudem möglich sein, sich in die Liste “akzeptabler Werbung” des größten Anbieters einzukaufen. Das wäre auch juristisch brisant.
Banner, Popups, Werbevideos und gekaufte Suchanzeigen sind aus dem Netz nicht mehr wegzudenken. Der stillschweigende Deal lautete bislang: weitestgehend kostenlose Inhalte gegen mehr oder weniger nervige Werbung. Diese Vereinbarung gerät durch den zunehmenden Gebrauch sogenannter Ad Blocker jedoch ins Wanken. Dabei handelt es sich um Erweiterungen für Browser, welche Werbung aus Internetseiten herausschneiden.
Wie nicht anders zu erwarten, stößt das Modell auf Kritik bei den Vermarktern und Verlagen, die davon ausgehen, dass inzwischen jeder vierte Nutzer Seiten mittels Ad Blocker aufruft, Tendenz steigend. Spiegel Online, FAZ, SZ und Zeit haben auf ihren Seiten mit einem Appell an die Solidarität der Nutzer darum gebeten, die Werbeblocker auszustellen, um die Qualitätsangebote kostenfrei halten zu können. Die eigentliche Zielgruppe erreichten sie damit aber nicht; der Aufruf selbst wurde auf Grund des angeblich hohen Störcharakters ebenfalls geblockt.
Einer der größten Anbieter von Werbeblockern ist die in Köln ansässige eyeo GmbH mit ihrem Produkt Adblock Plus. Konzept des Unternehmens ist es nach eigenen Angaben nicht, Werbung generell zu unterbinden. Unaufdringliche Formate sollen weiterhin eingeblendet, nervtötende hingegen geblockt werden.
Gegen das nötige Kleingeld auf die Whitelist?
Um zu unterscheiden, welche Werbung angezeigt wird und welche nicht, betreibt eyeo eine Liste sogenannter “Acceptable Ads”. Wer auf dieser Liste steht, dessen Anzeigen werden trotz Adblock dargestellt. Der Nutzer kann zwar einstellen, dass auch die Acceptable Ads geblockt werden; die Standardkonfiguration sieht das aber nicht vor. In der Vergangenheit setzte zudem jedes Adblock Update die Acceptable Ads erneut auf sichtbar.
Werbende, die auf die Whitelist wollen, können einen entsprechend Antrag stellen, der vom Unternehmen geprüft und über den sodann durch die Community abgestimmt wird. Für kleinere Werbende ist die Aufnahme in die Whitelist kostenlos. Von größeren kann eine Aufwandsentschädigung verlangt werden. Im Übrigen sollen für alle die gleichen Bedingungen gelten und es soll nicht möglich sein, sich in die Liste einzukaufen.
Dieses Verfahren wird jedoch zum Teil heftig kritisiert. So bestünde die “Community” lediglich aus einer sehr geringen Anzahl von Personen. Tatsächlich entschieden die Betreiber von Adblock, wessen Anzeigen als akzeptabel eingestuft werden; dafür ließen sie sich Provisionen von bis zu 30 Prozent zusichern. Die Nutzer von Adblock würden also weiterhin Werbung erhalten, die Werbetreiber hingegen von eyeo geschröpft werden. Schlagzeilen verursachte in diesem Zusammenhang die nicht offiziell bestätigte Nachricht, der Suchmaschinenriese Google habe sich mit einem Betrag von 25 Millionen Dollar in die Whitelist eingekauft.
Adblock auf dem juristischen Prüfstand
Inzwischen läuft auch die rechtliche Maschinerie an. Einige der großen Online-Vermarkter (Springer, ProSieben, Sat1, RTL) sollen nach Medienberichten eine Klage vorbereiten. Die eyeo GmbH verweist darauf, dass das Landgericht (LG) Hamburg bereits im September 2013 festgestellt hätte, dass das Geschäftsmodell rechtlich unbedenklich sei (Az. 312 O 341/13). Das ist allerdings wenig überzeugend: Es handelte sich in Hamburg um ein einstweiliges Verfügungsverfahren, in dem die Antragstellerin (Pro7Sat1) den Antrag zurückgenommen hatte. Über die grundsätzliche Zulässigkeit des Geschäftsmodells sagt das nichts aus.
Aktuelle Rechtsprechung zu Ad Blockern existiert – noch – nicht. In einer Entscheidung zu der Zulässigkeit von Werbeblockern im Fernsehen hatte der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2004 eine Wettbewerbswidrigkeit verneint und dabei maßgeblich auf die Entscheidungsfreiheit des Nutzers abgestellt (Urt. v. 24.06.2004, Az. I ZR 26/02 – “Fernsehfee”). Da der einzelne Medienkonsument frei darin sei, ob er Werbung wahrnehme oder bewusst ignoriere bzw. den Sender wechsle, dürfe er auch technische Hilfsmittel einsetzen, die ihm das Ausblenden von Werbung erleichtern. Der Anbieter stelle den Zuschauern lediglich eine technische Hilfe zur Verfügung.
Auf diese Argumente nimmt auch ein in der Zeitschrift Kommunikation & Recht erschienenes Gutachten von Professor Dr. Thomas Hoeren Bezug. Im Ergebnis bescheinigt es Adblock Plus rechtliche Unbedenklichkeit – wurde allerdings, wie der guten Ordnung halber erwähnt sein soll, im Auftrag der eyeo GmbH angefertigt.

Hoeren räumt zwar ein, dass die Ausschaltung fremder Werbung unlauter im Sinne des § 4 Nr. 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein könne. Das setze allerdings voraus, dass die Entscheidungsfreiheit nicht mehr beim Nutzer liege. Da die Beeinträchtigung der Werbewirkung der jeweiligen Seite jederzeit auf der freien Entscheidung des Nutzers beruhe, komme es – trotz Acceptable Ads – nicht zu einer Übertragung der Entscheidungskompetenz. Eine eigene, vom Nutzer nicht beeinflussbare Entscheidung werde durch den Adblockentwickler nicht getroffen.
Auch liege keine allgemeine Marktbehinderung nach § 3 UWG vor. Alleine die Möglichkeit, dass potentielle Werbekunden bei einer starken Verbreitung der Ad Blocker Software weniger Werbefläche buchen und es deshalb zu Einnahmeverlusten kommen kann, sei dafür nicht ausreichend. Darüber hinaus wäre eine solche Beeinträchtigung im Rahmen einer Gesamtschau auch derart gering, dass keine spürbare Marktbeeinflussung durch die Adblocker-Software eintreten würde. Die jährliche Steigerung der Umsätze in der Online Werbung würde zeigen, dass es seit dem Vertrieb der Software im Jahr 2011 zu keiner Veränderung des Trends gekommen wäre.
Schließlich sei die Werbung für Adblock Plus mit dem Slogan “für ein Web ohne nervige Werbung” auch nicht irreführend im Sinne der §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 5a, Abs. 2 UWG, obwohl die Acceptable Ads standardmäßig angezeigt würden. Denn der Nutzer werde ja deutlich darüber informiert, dass von Haus aus eben nicht jede, sondern nur “nervige” Werbung geblockt werde.
Einkaufsmöglichkeit in die Whitelist wäre hochproblematisch
So eindeutig, wie es der Anbieter unter Berufung auf dieses Gutachten darstellt, ist die Rechtslage indes nicht. Gerade dann, wenn die Möglichkeit bestehen sollte, sich am Nutzerwillen vorbei in die Whitelist einzukaufen, ließe sich eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG durchaus annehmen.
In diesem Fall dürfte die Entscheidungsfreiheit der Nutzer faktisch durch die Entscheidungen des Ad Block Anbieters überlagert werden. Ganz eindeutig dürfte das auch dann der Fall sein, wenn bei einem Update ohne Einwilligung der Nutzer deren gewählte Konfiguration rückgängig gemacht und die Acceptable Ads erneut sichtbar gestellt würden.
Auch die Annahme, dass das Geschäftsmodell generell nicht geeignet sei, eine spürbare Marktbeeinflussung zu erreichen und damit eine allgemeine Marktbehinderung gem. § 3 UWG per se ausscheide, ist wenig nachvollziehbar. Wenn bereits ein Viertel aller Nutzer die Werbung ausblendet, ist nicht von vorneherein auszuschließen, dass die zur Verfügung gestellten Werbegelder erheblich zurückgehen und sich die Internetlandschaft dadurch nachhaltig verändern könnte.
Information der Nutzer wirklich ausreichend?
Mit Blick auf eine etwaige Irreführung ist außerdem fraglich, ob der Nutzer sämtliche Informationen über das Geschäftsmodell in der gebotenen Form erhält. Gem. § 5a Abs. 2 UWG sind die wesentlichen Informationen rechtzeitig und so zur Verfügung zu stellen, dass der Verkehr sie tatsächlich zur Kenntnis nehmen kann. Das erfordert im Internetvertrieb, dass die Angaben vor Vertragsschluss zu erteilen sind.
Bei einem Aufruf des Add-on Managers von Google Chrome erscheint in hervorgehobener Position ein Installationsbutton mit der Aufschrift “kostenlos”. Darunter wird blickfangmäßig darauf hingewiesen, dass “nervige Videowerbung und vieles mehr.” blockiert werde. Erst, wenn man weiter nach unten scrollt, werden am Ende der Seite Informationen zum Acceptable Ads Konzept mitgeteilt.
Es erscheint zumindest fragwürdig, ob diese noch am Blickfang teilnehmen. Der durchschnittliche Nutzer wird diese Hinweise evtl. nicht wahrnehmen, sondern unmittelbar auf den “kostenlos”-Button klicken. Nach Betätigung des Buttons ist die Installation indes bereits abgeschlossen. Es ist somit nicht auszuschließen, dass der Nutzer die Informationen zu den Filtereigenschaften erst verspätet erhält, was für eine Irreführung durch Unterlassen ausreichen würde.

So oder so: Die Sache bleibt spannend und wird bei Beschreitung des Rechtsweges mit hoher Wahrscheinlichkeit erst vom BGH endgültig entschieden werden. Aber vielleicht gelingt es den Vermarkten ja auch, Werbung auf eine Weise zu gestalten, die tatsächlich weder von den Adblock Betreibern noch von den Nutzern als störend empfunden wird. Dann wäre der Streit überflüssig, das Addon ebenfalls, und am Ende wäre tatsächlich allen geholfen.

Mehr Infos zum Thema Wettbewerbsrecht und Werbung finden Sie unter https://rechtsanwalt-greier.de/taetigkeitsgebiete/ettbewerbsrecht