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Abmahnung für Kölner- Dom- Selfie, Europa von Sinnen? Abschaffung der Panoramafreiheit. Hysterie oder Grund zur Sorge? RA Greier erläutert die Zusammenhänge!

Das EU-Parlament beabsichtigt, die Regelungen zur so genannten Panoramafreiheit zu ändern.

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat einem Antrag zugestimmt, wonach die gewerbliche Nutzung unter anderem von Fotografien von Gebäuden, die dauerhaft an physischen öffentlichen Orten platziert sind, immer an die vorherige Einwilligung der Urheber oder sonstigen Berechtigten geknüpft sein soll. Anlass hierfür war ein Bericht zur Evaluation des Urheberrechts von Julia Reda, EU-Abgeordnete der deutschen Piratenpartei.

Da es in Europa hierzu keine einheitliche Regelung gibt, hatte diese in ihrem Bericht darauf hingewiesen, dass es nicht zeitgemäß sei, dass in vereinzelten Mitgliedstaaten für das Teilen von Urlaubsfotos eine Lizenz erforderlich ist. In Dänemark und Belgien  drohen jetzt schon Abmahnungen für unbedarfte Posts. Selbst die Wikipedia Einträge müssen dort auf Bildmaterial verzichten.

Dummerweise hat sich der Rechtsausschuss genau für die entgegengesetzte Richtung entschieden und ist dem Antrag eines anderen Mitglieds gefolgt,  der  europaweit die vorherige Einwilligung der Urheber fordert, mithin die Panoramafreiheit abschaffen will.

Auch wenn es am Ende vermutlich nicht zu einer Umsetzung des Entwurfs kommen wird, geistern Horrorszenarien durch die Medien. Das Selfie vom Brandenburger Tor als Einfallstor für findige Abmahnanwälte?.

Wer meint, dass treffe ihn nicht, da die Posts auf seinem Facebookprofil keine gewerbliche Nutzung darstellt, verkennt, dass bereits der Post in den sozialen Netzwerken rechtswidrig sein kann, da Facebook sich ja bekannterweise Rechte an allen Fotos einräumen lässt. So kann es zumindest mittelbar zu einer –ungewollten- gewerblichen Nutzung kommen.

Da nicht jedes Gebäude urheberrechtlichen Schutz genießt müsste vom rechtlichen Laien dann künftig vor jedem veröffentlichten Foto zunächst geprüft werden, ob das Motiv geschützt ist oder nicht. Windige Abmahnanwälte reiben sich die Hände, Kommunen und Länder rechnen die künftigen Einnahmen aus den Posts der Urlaubsfotos der Touristen hoch.

In Deutschland ist derartiges bislang nicht denkbar.

Rechtlicher Hintergrund ist im deutschen Recht  die so genannte Schutzschranke der Panoramafreiheit. Diese ist in § 59 UrhG geregelt,  wonach die durch Lichtbilder erfolgende Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig ist, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden.

Frei zugängliche Plätze, wie Marktplätzen, Straßen oder Häuser dürfen ebenso fotografiert werden.

Spätestens seit  Google Streetview wird sich freilich immer häufiger die Frage gestellt, wie weit die Panoramafreiheit geht.

Hier gilt vereinfacht gesagt der Grundsatz, dass  alles fotografiert werden darf, was ohne Hilfe von öffentlichem Grund einsehbar ist. Die Kameraaufbauten der Google-Autos die über die Zäune und Hecken filmen sind daher nicht zulässig.

Wer künftig jedenfalls sein Erinnerungsfoto auf Facebook stellt, sollte nach den Vorstellungen des EU-Rechtsausschuss vorher den Inhaber des Urheberrechts ausfindig machen und mit diesem eine möglichst schriftliche Lizenzvereinbarung treffen.

Dies vollkommen lebensfremde Vorstellung würde zudem nicht nur dazu führen, dass Google seine Streeview Dienste europaweit einstampfen könnte, sondern auch, dass kulturell bedeutsame Errungenschaften wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia verkümmern würden, da dort nur frei lizensierte Bilder erlaubt sind.

Der Vorschlag ist indes tatsächlich noch weit von einer rechtlichen Umsetzung  entfernt. Selbst wenn das Parlament am 09. Juli für den Entwurf abstimmen würde, könnte dieses die Kommission nur auffordern, eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen. Und selbst, wenn, diese bei ihrer Initiative dem Entwurf folgen würde (was sie keinesfalls muss), müssten der Ministerrat noch zustimmen und in Abstimmung mit dem Parlament eine neue Richtlinie erlassen werden. Bis zur Umsetzung ins nationale Recht wäre es also selbst im schlimmsten Fall noch ein weiter Weg.

Schlussendlich dürfte es mehr eine symbolische Diskussion sein, die am Ende des demokratischen und bürokratischen Verfahrens wohl eher in einem Ergebnis münden wird, das dem Antrag der Abgeordneten der Piratenpartei ähnelt. Sei es, weil die EU-Behörden erkennen, dass kein Bedürfnis an der  Harmonisierung des Urheberrechts besteht, welche zur –rückwärtsgewandten- Abschaffung der Panoramafreiheit führt, sei es, dass Konzerne wie Google durch ihre Lobbyarbeit zu überzeugen wissen.

Es ist jedenfalls trotz aller Hysterie nicht davon auszugehen, dass der Antrag in dieser Form umgesetzt werden wird.

Indes beabsichtigt der EU Kommisar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther Öttinger  im Herbst diesen Jahres seinen Entwurf für ein modernisiertes europäisches Urheberrecht vorzulegen.

Es bleibt spannend, welche Überraschungen bis dahin noch präsentiert werden.