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Legal Tech- Ein Gespenst geht um. Zeit für kontrollierte Gelassenheit RA Greier/KAV Magazin 02/18 http://www.koelner-anwaltverein.de

 

Wäre das beA nicht kurz vor der Zieleinfahrt noch vorbeigerauscht, hätte das Schlagwort Legal Tech große Chancen gehabt, das (Rechts)-Unwort des Jahres zu werden.

Legal Process Outsourcing, Blockchain, Data Science, Smart Contracts, Chatbots und Artificial intelligence. Die Begriffe geistern durch die Anwaltswelt und erzeugen mächtig Druck auf die Anwaltschaft. Es entsteht der Eindruck, dass die Anwälte jetzt reagieren müssen, um nicht abgehängt zu werden. Wer nicht am nächsten Hackathon teilnimmt und Software-Entwickler einstellt könnte überlegen, seine Kanzlei gleich dichtzumachen, bevor er von nicht anwaltlichen Service-Dienstleistern verdrängt wird und einen unaufholbaren Rückstand hat.

Mit diesen oder ähnlichen Botschaften ist die Legal-Tech-Welle im Jahr 2017 über die Anwaltschaft hinweggefegt und hat diese gehörig aufgestöbert.

Und nun? Zeit für Hysterie? Nein, es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge, wenn man sich noch keine Legal-Tech Strategie zurechtgelegt hat, noch keine Software gekauft und noch keinen Vertragsgenerator mit Trainingsdaten anlernt. Hierbei sollte auch nicht ausgeblendet werden, dass einige Akteure, welche den Hype mit anheizen, eigene Produkte vermarkten möchten. Interessenverbände, Medien und Veranstalter nehmen das teils interessiert, teils aus Angst einen Trend zu verpassen, gerne auf, wodurch sich die massehaften Veranstaltungen zu dem Thema erklären lassen.

Es fällt hier schwer den Überblick zu behalten, da selbst bei aufmerksamen Beobachtern der Szene der Eindruck besteht, dass die Bewegung etwas chaotisch ist. Das anarchische Element der Legal Tech Bewegung ist tatsächlich da und sogar wichtig, denn letztlich wird sich der Anwalts- und Rechtsberatungsmarkt natürlich verändern, so wie sich der Arbeitsalltag längst verändert hat. Dass sich eine Wissenschaft um das Thema Legal Tech formiert, ist gut und positiv. So wird der Fortschritt dialektisch begleitet und gestaltet. Viele Angebote werden getestet und verworfen werden, viele Anbieter werden kommen und gehen. Am Ende wird der Rechtsberatungsmarkt aber in jedem Fall anders aussehen als heute.

Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass für den Anwalt die Tür langsam zu geht, wenn er nicht jetzt sofort zum Legal-Tech Unternehmen wird, wäre vollkommen falsch.

Die Entwicklung von wirklich nutzbaren Legal-Tech Lösungen und Technologien befindet sich noch im Anfangsstadium. In Großkanzleien werden bereits Lösungen wie Ross (Software auf Basis von IBM Watson) zur Analyse von größeren Datenmengen (auch dort ist die Effizienz der Technologien indes noch sehr am Anfang) eingesetzt. Einige Inkassounternehmen lassen Algorithmen die Werthaltigkeit eines Anspruchs des Kunden berechnen und kaufen dem Kunden die erfolgsversprechenden Ansprüche ab. Erste Ansätze zu intelligenten Vertragsgeneratoren sind da und durchaus spannend. Es wird aber noch einiges an Zeit vergehen, bis es tatsächlich funktionierende Legal Tech Lösungen gibt, welche den klassischen Anwaltsmarkt nachhaltig beeinflussen werden können. Der Aufbau von AI (künstlicher Intelligenz) -Lösungen bedarf sehr viel Zeit, Entwicklungen wie Smart Contracts (Leasingfahrzeug lässt sich nicht mehr starten, wenn Rate nicht gezahlt wurde) werden zudem den Gesetzgeber beanspruchen, da zu liberalisieren, wo es Sinn macht und da zu reglementieren, wo es erforderlich ist.

Die aktuelle Bewegung hat zwei unterschiedliche Elemente, die nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Das eine ist das rein technologische Element. Hierbei wird im Wesentlichen der anwaltliche Arbeitsprozess beleuchtet und geprüft, bei welchen Arbeitsschritten technologische Hilfsmittel die Arbeit von Anwälten unterstützen oder gar ersetzen können. Man muss davon ausgehen, dass alles das, was standardisierbar ist, früher oder später auch automatisiert werden wird. Der Anwalt wird dann zunehmend, vergleichbar einem Diagnostiker, über einen mit technologischer Unterstützung aufbereiteten Sachverhalt werten.

Je komplexer der Sachverhalt, um so größer die Herausforderung an die Technologie.

Das andere Element, welches hinter dem dominanten Begriff des Legal-Tech etwas zurücktritt, ist das der grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderung der Gesellschaft und Arbeitswelt durch die digitale Transformation. Ebenso wie die Gesellschaft wird sich auch der Rechtsberatungsmarkt wandeln. Das ist unumstößlich und für diesen Weg muss der Anwalt offen sein und bereits jetzt erste Schritte angehen. Denn eines ist auch klar. Ein weiter wie bisher wird es nicht geben. Dabei ist die rein technologische Komponente (Legal- Tech) die Begleiterin, sozusagen ein Werkzeug der gesamten digitalen Transformation.

Diese Transformation ist bereits im vollem Gange.

Der Kunde hat sich nicht nur längst ins Internet verabschiedet, sondern auch von der Vorstellung, seine Rechtsprobleme durch einen Anwalt lösen zu lassen. Laut einer Forsa Studie des GDV gehen 70% der Deutschen mit ihren Rechtsproblemen nicht zum Anwalt. Bei den 19-29-jährigen sind es über 80%. Grund ist (trotz RVG) die Intransparenz der Kosten und wohl die Befürchtung, dass ein Anwaltsbesuch ungefähr so angenehm ist wie ein Zahnarztbesuch.

Das bedeutet, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Zugang mehr zum Recht hat. Rechtsfragen werden nicht von Anwälten sondern von Google gelöst. Portale wie Frag-Mutti.de dürften bei dieser Mandantengruppe mehr Akzeptanz haben als die Anwaltschaft. Eine bemerkenswerte Erkenntnis.

Der Anwalt kann nicht mehr in seiner Kanzlei sitzen und warten, bis der Mandant vorbeikommt. Er muss seine Kunden da abholen, wo sie sich bewegen, informieren und wo sie auch ihre Waren und Dienstleistungen (!) einkaufen.

Keine Frage Anwälte sollten sich wappnen, der Anwalt muss im Internet mehr denn je Präsenz zeigen, wenn er bestehen möchte. Das Online-Marketing wird für jeden Anwalt unersetzbar sein. Die Frage des „Ob“ dürfte klar sein, die Frage des „Wie“ ist dann schon komplizierter.

Angesichts des hohen Wettbewerbs im Online-Marketing (z.B. bei Google) um die Sichtbarkeit beim Kunden wird es für den einzelnen Anwalt immer schwieriger werden, sich hier profitabel in eine gute Position zu bringen. Auch wird nicht jeder Anwalt Online-Marketing Experte werden können/wollen. Muss er auch nicht. Der Weg wird es sein, sich hier externer Dienstleister zu bedienen, die den Anwälten diese Arbeit abnehmen und damit den Weg zu den Kunden ebnen. Eine Möglichkeit ist es, dass der Anwalt eine Marketing-Agentur beauftragt. Nachteil ist, dass er hier das Mediabudget (Werbegelder für Google etc.) zahlen muss und zusätzlich die Kosten der Agentur für die Durchführung und Verwaltung der Werbekampagnen. Erfolg ist dabei nicht garantiert, auch wenn sich dort mit geschickt angelegten Kampagnen einiges erreichen lässt.

Eine andere Möglichkeit ist ein Netzwerk oder ein anwaltlicher Marktplatz, auf dem Kunden und Anwälte zusammengebracht werden. Hierbei übernimmt die Plattform die Kosten für das Online-Marketing und bringt auch das entsprechende Knowhow mit. Das Portal wird zur Kundenschnittstelle für den Anwalt. Dabei ist auch zu bedenken, dass Akquiseweg Nr. 1 seit je her die Empfehlung ist. Das wird sie auch weiterhin sein, künftig aber in Form einer Empfehlung und/oder Bewertung im Internet von anderen Nutzern. 70% der Nutzer verlassen sich bei ihrer Kaufentscheidung auf Bewertungen im Internet. Tendenz steigend. Der Kunde erwartet im Netz Transparenz und Vergleichbarkeit bzgl. Preis und Leistung, so dass er seine Kaufentscheidung nach den für ihn relevanten Kriterien treffen kann. Das muss nicht immer der Preis sein, sondern kann die Ortsnähe, Bewertungen oder Darstellung besonderer Expertise sein.

Es wird aber künftig nicht ausreichen, einfach auf sich als Anwalt online aufmerksam zu machen, entscheidend wird sein, dass man ein vermarktungsfähiges Produkt anbietet.

Erster Schritt für den Anwalt wird es sein ein Produkt zu schaffen. Um den Kunden das gewohnte Einkaufsgefühl zu erhalten, ist es erforderlich, dass der Anwalt beginnt seine Arbeitsleistungen als Produkt zu begreifen, welches er quasi „wie ein T-Shirt“ bei gleichwohl hoher Beratungsqualität verkaufen kann. Entree zum Kunden ist meist die Erstberatung. Hier wird es darauf ankommen, den Kunden zu überzeugen.

Die wichtigste Aufgabe des Anwalts ist es sich darüber klar zu werden, welchen Teil seiner Dienste er so standardisieren kann, dass er dem Kunden klar definierte Leistungen zu einem Festpreis anbieten kann. Erforderlich ist es, den gesamten Beratungsprozess zu durchdenken. Sinnvoll ist es, mit einer Erstberatungssituation zu beginnen. Hieran können sich weitere Schritte, wie standardisierbare Anschreiben z.B. an Vermieter oder Arbeitgeber anschließen.

Dieses Produkt kann dann am Markt -über die eigene Kanzleiseite und/oder einen Marktplatz- angeboten, getestet und optimiert werden. Die frühzeitige Positionierung auf einem Marktplatz stärkt bei den relativ frisch entstehenden Portalen die positive Wahrnehmbarkeit des Anwalts.

Je nach Rechtsgebiet, Produkt und Erfahrung wird der ein oder andere Anwalt das Anbieten von Beratungspaketen zum Festpreis ggf. noch eher als Kundengewinnungskosten ansehen.

Das muss nicht so sein und wird garantiert nicht so bleiben.

Nach und nach werden es Legal-Tech Unternehmen und vor allem derartige Marktplätze sein, welche die technologischen Entwicklungen vorantreiben, um die daraus entstehenden Lösungen anzubinden. Startups & Marktplätze sind die Entwicklungsmotoren der Technologien für die Anwälte. Denn wenn durch den Einsatz von Technologie Teilbereiche der anwaltlichen Arbeit automatisiert werden, sinkt der anwaltliche Aufwand und damit steigt für den Anwalt die Attraktivität der Plattform.

Ob der Anwalt die Technologie dann selbst erwirbt/lizenziert und in seine eigenen Arbeitsschritte einbaut, oder auf die von einem Portal angebotenen Technologien zurückgreift macht dabei in der Sache dann keinen Unterschied. Spätestens durch die Nutzung einer marktreifen Technologie wird es dem Anwalt mittelfristig möglich sein, eine Vielzahl von Mandanten in kürzester Zeit zu bearbeiten. Im Gegenzug wird sich der Stundensatz zwar verändern. Schlussendlich wird es für den Anwalt aber nicht weniger lukrativ sein. Wenn der Anwalt in einer Stunde fünf Mandate a 49 EUR bearbeiten kann, ist das ggf. reizvoller und lebensnaher als sich dabei abzumühen, einen Stundenlohn von 245 EUR zu rechtfertigen.

Der Anwalt muss kein Programmierer werden. Das wichtigste wird sein, dass der Anwalt die Entwicklungen aufmerksam beobachtet, seine Produkte und Arbeitsprozesse zu verstehen beginnt und auch erkennt, welche Rolle Technologie spielen kann und welche nicht.

Dann ist der Anwalt in der optimalen Startposition, sobald die Legal-Tech Produkte wirklich sinnvoll nutzbar sind.

Auch wenn viele Dienstleister -zu Recht- den Kunden im Blick haben, wird es letztlich auch der Anwalt sein, der (Marketing)-Adressat von technischen Neuerungen ist. Insoweit wird Legal-Tech auf den aufmerksamen Anwalt zukommen und der Anwalt muss keinem spannenden aber eben noch in der Entwicklung befindlichem Hype hinterherlaufen. Der Anwalt, der seine Arbeitsschritte kennt, wird erkennen wann ihm welche Software weiterbringen können wird. Wer jetzt schon soweit ist und erste Produkte testen mag, dem wird es nicht schaden. Wer es nicht tut und erst einmal abwartet, wird aber auch keinen Schaden erleiden.

Dabei kann es sicherlich nicht schaden, wenn man als Anwalt versteht, welche Prozesse die Technologien ersetzen und wie Algorithmen, lernende Software etc. im Grunde funktionieren. Der Anwalt wird Anwender sein, aber keinesfalls muss ein Anwalt gleich programmieren lernen. Wer weiß schon wie ein Auto oder ein Computer technisch funktioniert.

Die Legal-Tech Bewegung wird mittelfristig eine Vielzahl von Hilfsmitteln für jeden Teilbereich der anwaltlichen Arbeitsschritte hervorbringen. Das gestaltende Element von Legal-Tech darf insofern nicht hoch genug bewertet werden.

In Teilbereichen wird es sicherlich auch nicht anwaltliche (Inkasso)- Servicedienstleister geben, die in Nischen versuchen werden, Teile des Beratungsmarkts von den Anwälten zu übernehmen. Das wird spannend zu beobachten sein. Je mehr sich die Technik weiterentwickelt, um so mehr wird diese auch zur massentauglichen Nutzung für den Anwalt geeignet sein. Schwindet der Technikvorteil der Servicedienstleister und gelingt es dem Anwalt unter Nutzung von Marktplätzen und dann ausgereifter Technologien seine Beratungsleistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten, dann wird es der Anwalt sein, der den Zuschlag vom Kunden erhält.

So könnten auch die 70-80% der Kunden, die bislang auf rechtliche Beratung durch einen Anwalt verzichten, gewonnen werden.

Auf diese Weise entstehen Win-Win-Situationen für die Kunden, den Anwalt und die Gesellschaft, die dank technologischer Unterstützung wieder die Teilhabe am Rechtssystem eröffnet. Das ist, was Legal-Tech ausmachen wird und was die Bewegung so spannend macht, zumal die Erneuerungen nicht linear verlaufen werden.

Legal-Tech hat die Kraft, den Rechtsberatungsmarkt und den Zugang zum Recht nachhaltig -zum Positiven- zu verändern. Diese Chance sollten alle Akteure gemeinsam nutzen. Insofern ist Legal-Tech als Bestandteil einer unaufhaltsamen digitalen Transformation viel mehr Chance als Risiko. Bis die Erfahrung und anwaltliche Intuition durch Legal-Tech Lösungen ersetzt werden, werden indes noch sehr viele Hackathons ins Land ziehen.

Legal Tech- Ein Gespenst geht um. Zeit für kontrollierte Gelassenheit RA Greier/CoFounder AnwaltNow in KAV Magazin 02/18

http://www.koelner-anwaltverein.de

Wäre das beA nicht kurz vor der Zieleinfahrt noch vorbeigerauscht, hätte das Schlagwort Legal Tech große Chancen gehabt, das (Rechts)-Unwort des Jahres zu werden.

Legal Process Outsourcing, Blockchain, Data Science, Smart Contracts, Chatbots und Artificial intelligence. Die Begriffe geistern durch die Anwaltswelt und erzeugen mächtig Druck auf die Anwaltschaft. Es entsteht der Eindruck, dass die Anwälte jetzt reagieren müssen, um nicht abgehängt zu werden. Wer nicht am nächsten Hackathon teilnimmt und Software-Entwickler einstellt könnte überlegen, seine Kanzlei gleich dichtzumachen, bevor er von nicht anwaltlichen Service-Dienstleistern verdrängt wird und einen unaufholbaren Rückstand hat.

Mit diesen oder ähnlichen Botschaften ist die Legal-Tech-Welle im Jahr 2017 über die Anwaltschaft hinweggefegt und hat diese gehörig aufgestöbert.

Und nun? Zeit für Hysterie? Nein, es besteht überhaupt kein Grund zur Sorge, wenn man sich noch keine Legal-Tech Strategie zurechtgelegt hat, noch keine Software gekauft und noch keinen Vertragsgenerator mit Trainingsdaten anlernt. Hierbei sollte auch nicht ausgeblendet werden, dass einige Akteure, welche den Hype mit anheizen, eigene Produkte vermarkten möchten. Interessenverbände, Medien und Veranstalter nehmen das teils interessiert, teils aus Angst einen Trend zu verpassen, gerne auf, wodurch sich die massehaften Veranstaltungen zu dem Thema erklären lassen.

Es fällt hier schwer den Überblick zu behalten, da selbst bei aufmerksamen Beobachtern der Szene der Eindruck besteht, dass die Bewegung etwas chaotisch ist. Das anarchische Element der Legal Tech Bewegung ist tatsächlich da und sogar wichtig, denn letztlich wird sich der Anwalts- und Rechtsberatungsmarkt natürlich verändern, so wie sich der Arbeitsalltag längst verändert hat. Dass sich eine Wissenschaft um das Thema Legal Tech formiert, ist gut und positiv. So wird der Fortschritt dialektisch begleitet und gestaltet. Viele Angebote werden getestet und verworfen werden, viele Anbieter werden kommen und gehen. Am Ende wird der Rechtsberatungsmarkt aber in jedem Fall anders aussehen als heute.

Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass für den Anwalt die Tür langsam zu geht, wenn er nicht jetzt sofort zum Legal-Tech Unternehmen wird, wäre vollkommen falsch.

Die Entwicklung von wirklich nutzbaren Legal-Tech Lösungen und Technologien befindet sich noch im Anfangsstadium. In Großkanzleien werden bereits Lösungen wie Ross (Software auf Basis von IBM Watson) zur Analyse von größeren Datenmengen (auch dort ist die Effizienz der Technologien indes noch sehr am Anfang) eingesetzt. Einige Inkassounternehmen lassen Algorithmen die Werthaltigkeit eines Anspruchs des Kunden berechnen und kaufen dem Kunden die erfolgsversprechenden Ansprüche ab. Erste Ansätze zu intelligenten Vertragsgeneratoren sind da und durchaus spannend. Es wird aber noch einiges an Zeit vergehen, bis es tatsächlich funktionierende Legal Tech Lösungen gibt, welche den klassischen Anwaltsmarkt nachhaltig beeinflussen werden können. Der Aufbau von AI (künstlicher Intelligenz) -Lösungen bedarf sehr viel Zeit, Entwicklungen wie Smart Contracts (Leasingfahrzeug lässt sich nicht mehr starten, wenn Rate nicht gezahlt wurde) werden zudem den Gesetzgeber beanspruchen, da zu liberalisieren, wo es Sinn macht und da zu reglementieren, wo es erforderlich ist.

Die aktuelle Bewegung hat zwei unterschiedliche Elemente, die nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind. Das eine ist das rein technologische Element. Hierbei wird im Wesentlichen der anwaltliche Arbeitsprozess beleuchtet und geprüft, bei welchen Arbeitsschritten technologische Hilfsmittel die Arbeit von Anwälten unterstützen oder gar ersetzen können. Man muss davon ausgehen, dass alles das, was standardisierbar ist, früher oder später auch automatisiert werden wird. Der Anwalt wird dann zunehmend, vergleichbar einem Diagnostiker, über einen mit technologischer Unterstützung aufbereiteten Sachverhalt werten.

Je komplexer der Sachverhalt, um so größer die Herausforderung an die Technologie.

Das andere Element, welches hinter dem dominanten Begriff des Legal-Tech etwas zurücktritt, ist das der grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderung der Gesellschaft und Arbeitswelt durch die digitale Transformation. Ebenso wie die Gesellschaft wird sich auch der Rechtsberatungsmarkt wandeln. Das ist unumstößlich und für diesen Weg muss der Anwalt offen sein und bereits jetzt erste Schritte angehen. Denn eines ist auch klar. Ein weiter wie bisher wird es nicht geben. Dabei ist die rein technologische Komponente (Legal- Tech) die Begleiterin, sozusagen ein Werkzeug der gesamten digitalen Transformation.

Diese Transformation ist bereits im vollem Gange.

Der Kunde hat sich nicht nur längst ins Internet verabschiedet, sondern auch von der Vorstellung, seine Rechtsprobleme durch einen Anwalt lösen zu lassen. Laut einer Forsa Studie des GDV gehen 70% der Deutschen mit ihren Rechtsproblemen nicht zum Anwalt. Bei den 19-29-jährigen sind es über 80%. Grund ist (trotz RVG) die Intransparenz der Kosten und wohl die Befürchtung, dass ein Anwaltsbesuch ungefähr so angenehm ist wie ein Zahnarztbesuch.

Das bedeutet, dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Zugang mehr zum Recht hat. Rechtsfragen werden nicht von Anwälten sondern von Google gelöst. Portale wie Frag-Mutti.de dürften bei dieser Mandantengruppe mehr Akzeptanz haben als die Anwaltschaft. Eine bemerkenswerte Erkenntnis.

Der Anwalt kann nicht mehr in seiner Kanzlei sitzen und warten, bis der Mandant vorbeikommt. Er muss seine Kunden da abholen, wo sie sich bewegen, informieren und wo sie auch ihre Waren und Dienstleistungen (!) einkaufen.

Keine Frage Anwälte sollten sich wappnen, der Anwalt muss im Internet mehr denn je Präsenz zeigen, wenn er bestehen möchte. Das Online-Marketing wird für jeden Anwalt unersetzbar sein. Die Frage des „Ob“ dürfte klar sein, die Frage des „Wie“ ist dann schon komplizierter.

Angesichts des hohen Wettbewerbs im Online-Marketing (z.B. bei Google) um die Sichtbarkeit beim Kunden wird es für den einzelnen Anwalt immer schwieriger werden, sich hier profitabel in eine gute Position zu bringen. Auch wird nicht jeder Anwalt Online-Marketing Experte werden können/wollen. Muss er auch nicht. Der Weg wird es sein, sich hier externer Dienstleister zu bedienen, die den Anwälten diese Arbeit abnehmen und damit den Weg zu den Kunden ebnen. Eine Möglichkeit ist es, dass der Anwalt eine Marketing-Agentur beauftragt. Nachteil ist, dass er hier das Mediabudget (Werbegelder für Google etc.) zahlen muss und zusätzlich die Kosten der Agentur für die Durchführung und Verwaltung der Werbekampagnen. Erfolg ist dabei nicht garantiert, auch wenn sich dort mit geschickt angelegten Kampagnen einiges erreichen lässt.

Eine andere Möglichkeit ist ein Netzwerk oder ein anwaltlicher Marktplatz, auf dem Kunden und Anwälte zusammengebracht werden. Hierbei übernimmt die Plattform die Kosten für das Online-Marketing und bringt auch das entsprechende Knowhow mit. Das Portal wird zur Kundenschnittstelle für den Anwalt. Dabei ist auch zu bedenken, dass Akquiseweg Nr. 1 seit je her die Empfehlung ist. Das wird sie auch weiterhin sein, künftig aber in Form einer Empfehlung und/oder Bewertung im Internet von anderen Nutzern. 70% der Nutzer verlassen sich bei ihrer Kaufentscheidung auf Bewertungen im Internet. Tendenz steigend. Der Kunde erwartet im Netz Transparenz und Vergleichbarkeit bzgl. Preis und Leistung, so dass er seine Kaufentscheidung nach den für ihn relevanten Kriterien treffen kann. Das muss nicht immer der Preis sein, sondern kann die Ortsnähe, Bewertungen oder Darstellung besonderer Expertise sein.

Es wird aber künftig nicht ausreichen, einfach auf sich als Anwalt online aufmerksam zu machen, entscheidend wird sein, dass man ein vermarktungsfähiges Produkt anbietet.

Erster Schritt für den Anwalt wird es sein ein Produkt zu schaffen. Um den Kunden das gewohnte Einkaufsgefühl zu erhalten, ist es erforderlich, dass der Anwalt beginnt seine Arbeitsleistungen als Produkt zu begreifen, welches er quasi „wie ein T-Shirt“ bei gleichwohl hoher Beratungsqualität verkaufen kann. Entree zum Kunden ist meist die Erstberatung. Hier wird es darauf ankommen, den Kunden zu überzeugen.

Die wichtigste Aufgabe des Anwalts ist es sich darüber klar zu werden, welchen Teil seiner Dienste er so standardisieren kann, dass er dem Kunden klar definierte Leistungen zu einem Festpreis anbieten kann. Erforderlich ist es, den gesamten Beratungsprozess zu durchdenken. Sinnvoll ist es, mit einer Erstberatungssituation zu beginnen. Hieran können sich weitere Schritte, wie standardisierbare Anschreiben z.B. an Vermieter oder Arbeitgeber anschließen.

Dieses Produkt kann dann am Markt -über die eigene Kanzleiseite und/oder einen Marktplatz- angeboten, getestet und optimiert werden. Die frühzeitige Positionierung auf einem Marktplatz stärkt bei den relativ frisch entstehenden Portalen die positive Wahrnehmbarkeit des Anwalts.

Je nach Rechtsgebiet, Produkt und Erfahrung wird der ein oder andere Anwalt das Anbieten von Beratungspaketen zum Festpreis ggf. noch eher als Kundengewinnungskosten ansehen.

Das muss nicht so sein und wird garantiert nicht so bleiben.

Nach und nach werden es Legal-Tech Unternehmen und vor allem derartige Marktplätze sein, welche die technologischen Entwicklungen vorantreiben, um die daraus entstehenden Lösungen anzubinden. Startups & Marktplätze sind die Entwicklungsmotoren der Technologien für die Anwälte. Denn wenn durch den Einsatz von Technologie Teilbereiche der anwaltlichen Arbeit automatisiert werden, sinkt der anwaltliche Aufwand und damit steigt für den Anwalt die Attraktivität der Plattform.

Ob der Anwalt die Technologie dann selbst erwirbt/lizenziert und in seine eigenen Arbeitsschritte einbaut, oder auf die von einem Portal angebotenen Technologien zurückgreift macht dabei in der Sache dann keinen Unterschied. Spätestens durch die Nutzung einer marktreifen Technologie wird es dem Anwalt mittelfristig möglich sein, eine Vielzahl von Mandanten in kürzester Zeit zu bearbeiten. Im Gegenzug wird sich der Stundensatz zwar verändern. Schlussendlich wird es für den Anwalt aber nicht weniger lukrativ sein. Wenn der Anwalt in einer Stunde fünf Mandate a 49 EUR bearbeiten kann, ist das ggf. reizvoller und lebensnaher als sich dabei abzumühen, einen Stundenlohn von 245 EUR zu rechtfertigen.

Der Anwalt muss kein Programmierer werden. Das wichtigste wird sein, dass der Anwalt die Entwicklungen aufmerksam beobachtet, seine Produkte und Arbeitsprozesse zu verstehen beginnt und auch erkennt, welche Rolle Technologie spielen kann und welche nicht.

Dann ist der Anwalt in der optimalen Startposition, sobald die Legal-Tech Produkte wirklich sinnvoll nutzbar sind.

Auch wenn viele Dienstleister -zu Recht- den Kunden im Blick haben, wird es letztlich auch der Anwalt sein, der (Marketing)-Adressat von technischen Neuerungen ist. Insoweit wird Legal-Tech auf den aufmerksamen Anwalt zukommen und der Anwalt muss keinem spannenden aber eben noch in der Entwicklung befindlichem Hype hinterherlaufen. Der Anwalt, der seine Arbeitsschritte kennt, wird erkennen wann ihm welche Software weiterbringen können wird. Wer jetzt schon soweit ist und erste Produkte testen mag, dem wird es nicht schaden. Wer es nicht tut und erst einmal abwartet, wird aber auch keinen Schaden erleiden.

Dabei kann es sicherlich nicht schaden, wenn man als Anwalt versteht, welche Prozesse die Technologien ersetzen und wie Algorithmen, lernende Software etc. im Grunde funktionieren. Der Anwalt wird Anwender sein, aber keinesfalls muss ein Anwalt gleich programmieren lernen. Wer weiß schon wie ein Auto oder ein Computer technisch funktioniert.

Die Legal-Tech Bewegung wird mittelfristig eine Vielzahl von Hilfsmitteln für jeden Teilbereich der anwaltlichen Arbeitsschritte hervorbringen. Das gestaltende Element von Legal-Tech darf insofern nicht hoch genug bewertet werden.

In Teilbereichen wird es sicherlich auch nicht anwaltliche (Inkasso)- Servicedienstleister geben, die in Nischen versuchen werden, Teile des Beratungsmarkts von den Anwälten zu übernehmen. Das wird spannend zu beobachten sein. Je mehr sich die Technik weiterentwickelt, um so mehr wird diese auch zur massentauglichen Nutzung für den Anwalt geeignet sein. Schwindet der Technikvorteil der Servicedienstleister und gelingt es dem Anwalt unter Nutzung von Marktplätzen und dann ausgereifter Technologien seine Beratungsleistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten, dann wird es der Anwalt sein, der den Zuschlag vom Kunden erhält.

So könnten auch die 70-80% der Kunden, die bislang auf rechtliche Beratung durch einen Anwalt verzichten, gewonnen werden.

Auf diese Weise entstehen Win-Win-Situationen für die Kunden, den Anwalt und die Gesellschaft, die dank technologischer Unterstützung wieder die Teilhabe am Rechtssystem eröffnet. Das ist, was Legal-Tech ausmachen wird und was die Bewegung so spannend macht, zumal die Erneuerungen nicht linear verlaufen werden.

Legal-Tech hat die Kraft, den Rechtsberatungsmarkt und den Zugang zum Recht nachhaltig -zum Positiven- zu verändern. Diese Chance sollten alle Akteure gemeinsam nutzen. Insofern ist Legal-Tech als Bestandteil einer unaufhaltsamen digitalen Transformation viel mehr Chance als Risiko. Bis die Erfahrung und anwaltliche Intuition durch Legal-Tech Lösungen ersetzt werden, werden indes noch sehr viele Hackathons ins Land ziehen.