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Filesharing- Zahlen Eltern, ohne schriftliches Verbot für die Dateien ihrer Kinder? Ist der BGH vollkommen lebensfremd? RA Greier erläutert die Zusammenhänge?

Der BGH hatte bereits mit Urteil vom 15.11.2012 -I ZR 74/12- den Standpunkt eingenommen, dass die Eltern keine generelle Pflicht zur Überwachung ihrer Kinder trifft. Diesen Grundsatz hat das Gericht nun mit Entscheidung vom 11.06.2015 – I ZR 07/14 bestätigt.

Insoweit begrüßenswert.

Gemäß § 832 Abs.1, S.1 ist die Aufsichtsperson für entstandene Schäden verantwortlich. Eine Verantwortlichkeit scheidet aber aus, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Der BGH betont nun, dass es in der Regel reicht, wenn Eltern ihr Kind darüber belehren, dass es rechtswidrig ist, Internettauschbörsen zu nutzen und ihm das verbieten. Sie sind nicht verpflichtet, die Internetnutzung des Kindes zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder den Zugang zum Internet durch technische Maßnahmen zu reglementieren – außer, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH I ZR 74/12).

Bis hier hin noch nachvollziehbar.

Im vorliegenden Fall wurde den Eltern zum Verhängnis, dass ihre 14-jährige Tochter der Polizei gegenüber angegeben hatte, nicht gewusst zu haben, dass Filesharing nicht erlaubt sei.
Damit stünde fest, dass die Tochter nicht ausreichend belehrt worden wäre.

Eltern haften damit für ihre Kinder bei Urheberrechtsverletzungen über das Internet, wenn sie nicht beweisen können, ihre Kinder hinreichend aufgeklärt zu haben. Eine allgemeine Belehrung genügt nicht, sondern sie muss sich auf die Illegalität von Tauschbörsen beziehen. Zudem muss den Kindern die Teilnahme an solchen Angeboten ausdrücklich untersagt werden.

Geht`s noch?

An dieser Stelle fragt man sich dann doch inwieweit das höchste Gericht sich hier Gedanken um die Alltagstauglichkeit der aufgestellten Grundsätze macht. (Mal abgesehen davon, dass jede und jeder 14-jähriger weiß, was er da tut).
Im Klartext heißt das, dass die Eltern zu Beweiszwecken den Kindern eine von diesen zu unterzeichnende Belehrung übergeben müssen, am besten mit Zeitstempel versehen, um aus der Haftung zu kommen.
Die Rechtsanwaltskanzlei Greier schlägt folgende Belehrung vor, welche interessierten Eltern und Kindern zur unbegrenzten Nutzung und Vervielfältigung zur Verfügung gestellt wird.
Hiermit teilen wir, (Eltern), Dir, (Kind) mit, dass das Internet im allgemeinen und Tauschbörsen im speziellen Böse sind. Insbesondere letztere darfst Du nicht nutzen und niemals Dateien über unseren Anschluss up- oder downloaden. Gleiches gilt für derzeit noch unbekannte Nutzungsarten, welche die Rechte der Musikindustrie und Abmahnanwälte verletzen könnten.

Interessant ist die Anschlussfrage, ob sich die Eltern denn durch eine derartige schriftliche Vereinbarung, selber von jeder Haftung frei machen können. Dann kann man das Kind getrost vorschieben, denn es wurde ja hinreichend belehrt.

Auch angesichts der Tatsache, dass das höchste deutsche Gericht 200 EUR Schadensersatz für jeden angebotenen Musiktitel für angemessen hält, darf einmal mehr bezweifelt werden, dass das aktuelle Urheberrecht geeignet ist und die Gerichte tatsächlich gewillt sind, derartige Sachverhalte lebensnah zu erfassen.

Wenn sich auf dem Rechner Ihres Kindes 5000 Titel befinden und Sie keinen schriftlichen Nachweis darüber haben, dass Sie Ihrem Kind die Nutzung von Popcorn-Time untersagt haben, können Sie die Million schon mal zusammensuchen.
Dem Abmahnwahn wird das jedenfalls neu entfachen anstatt diesen wie politisch eigentlich beabsichtigt, einzudämmen. Die große Abmahnkanzlei Raschlegal feiert das Urteil bereits auf ihrer Seite und rüstet zum Angriff.