Links überspringen

Corona Maßnahmen- Verfassungsgemäß und Verhältnismäßig?

Im Verfassungsrecht gilt der so genannte Wesentlichkeitsgrundsatz. Das heißt, dass alle Entscheidungen, die von wesentlicher Bedeutung für das Gemeinwesen sind, vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen.
Seit März wird eine Corona Verordnung nach der anderen ohne Beteiligung des Parlaments erlassen. Dass die Einschränkungen für die Bevölkerung von wesentlicher Bedeutung sind, ist offenkundig.


Die Regierung beruft sich darauf, dass sie nach den Vorschriften der §§ 28-32 IfSG dazu berechtigt wäre, ohne dass Parlament zu entscheiden.
Diese Vorschriften geben eine solche Ermächtigung aber schlicht nicht her.
Die Regelungen sind nach dem Wortlaut nur an “Kranke, Krankheitsverdächtige und/oder, Ansteckungsverdächtige gerichtet, und nur dann dürfen nach § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG etwa “Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen” beschränkt oder verboten werden.
Die Corona-Verordnungen nehmen aber Millionen von Betroffenen in Anspruch, die weder krank noch krankverdächtig sind (es sei denn das unterstellt man jedem). Rechtlich sind das so genannte „Nicht-Störer“.
Die Inanspruchnahme von Nicht-Störern ist zwar grundsätzlich möglich, stellt aber einen so schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, dass es einer gesetzlichen Regelung mit hinreichend präzisen Anforderungen bedarf. Hierfür muss nun mal das Parlament beteiligt werden. Die Regierung handelt ohne Ermächtigungsgrundlage. Das ist insofern auch tatsächlich gar nicht strittig. Selbst der nicht gerade als regierungskritisch bekannte Herr Schäuble, hat mittlerweile die Notwendigkeit erkannt , https://www.bundestag.de/…/kw43-parlamentsbeteiligung….
Mit den von ihm angeregten Änderungen sollen die Maßnahmen „gerichtsfester“ werden, d.h. auf Deutsch, sie sind es derzeit einfach nicht.
Unabhängig vom rechtlichen Blickwinkel, ist die Beteiligung des Parlaments natürlich eine elementare Voraussetzung für einen öffentlichen Diskurs, der dann auch medial begleitet wird. Im Idealfall führt das zu einer breiten, öffentlich wahrgenommenen Abwägung des Für und Widers bestimmter Maßnahmen. Das nimmt den Einzelnen mehr mit, als eine als alternativlos kommunizierte Hinterzimmerpolitik, die aufgrund der Vielzahl der sich ablösenden Verordnungen (und fehlenden Stringenz), keiner mehr nachvollziehen kann. Am Samstag Maßnahmen für Mittwoch ankündigen und planen und am Donnerstag, nach dem das Kind in den Brunnen gefallen ist, das Parlament zu Fragen zusammenkommen zu lassen, ist in Zeiten, in denen das darum geht, das Vertrauen der Bürger bei den Entscheidungen mitzunehmen, maximal kontraproduktiv.

Zweiter Punkt ist der Punkt der Verhältnismäßigkeit.
Ob nun das Parlament eingebunden wird, oder die Regierung allein entscheidet. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Wenn in Grundrechte eingegriffen wird, ist ein solcher Eingriff nur erlaubt, wenn der Eingriff einen legitimen Zweck verfolgt. Dafür ist zunächst erforderlich, den Zweck der Corona Maßnahmen zu bestimmen
Das ist der Kern des verfassungsrechtlichen Prinzips der Verhältnismäßigkeit.
Der Eingriff muss darüber hinaus a) geeignet und erforderlich sein, diesen Zweck zu erreichen und b) in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen.
Zunächst einmal gibt es keine Pflicht des Staates den einzelnen Bürger vor dem Tod zu schützen. Das wäre letztlich ja auch etwas schwierig in der Umsetzung….
Legitimer Zweck könnte, wie es in der Regel auch angeführt wurde/wird, der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sein, also allgemein „Leben zu retten“.
Unterstellen wir einmal, dass die aktuellen Maßnahmen, zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und erforderlich sind, müssten diese des Weiteren auch angemessen sein.
Die Hürde der Angemessenheit können die Maßnahmen bei einer verständigen Würdigung jedoch nicht nehmen.
Die Gefährdung von Arbeitsplätzen und Existenzen (Eingriff in Art. 12, 14 GG), die Einschränkung der Freizügigkeit (Eingriff in Art. 11 GG) sowie die Beschränkung der Versammlungsfreiheit (Eingriff in Art. 8 GG) stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem bezweckten „Gesundheitsschutz“.
Wäre dies der Fall müsste z.B. auch die Teilnahme am Straßenverkehr komplett untersagt werden. Diese Verbote würden Leben retten.
Ein Verbot des Straßenverkehrs wäre zum Zwecke des Gesundheitsschutzes geeignet und erforderlich, würde dem Gesundheitsschutz jedoch gegenüber der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG) einen Vorrang einräumen, der unangemessen und damit unverhältnismäßig wäre. Daher wird auch niemand ernsthaft auf die Idee kommen, den Straßenverkehr vollständig zu untersagen. Stattdessen werden mildere Mittel (Führerschein auf Probe, Fahrprüfung für Senioren, Straßenverkehrsordnung, Geschwindigkeitsbegrenzungen etc.) gewählt. Das sind dann verhältnismäßige, weil angemessene Eingriffe.
Der Gesundheitsschutz kann daher die Corona-Maßnahmen schlicht nicht legitimieren. Das ist auch nicht zynisch, sondern schlicht eine Folge des GG und der verfassungsrechtlichen Grundlagen.
Aktuell wird als legitimer Zweck offensichtlich die Verhinderung des Zusammenbruchs des „staatlichen Gesundheitssystems“ herangezogen. Die Merkel’sche Verdopplungs-Arithmetik zielt ja darauf ab, dies darzustellen.
Das könnte grundsätzlich schon eher ein legitimer Zweck sein, der einer Angemessenheitsprüfung standhält.
Die unmittelbaren Eingriffe in die Grundrechte (Gefährdung Arbeitsplätze/Existenzen, Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, freie Persönlichkeitsentfaltung) sind natürlich auch hier genauso zu berücksichtigen, wie die mittelbaren Folgen der Eingriffe (1.500 Milliarden Kosten bis jetzt, ohne aktuellen Lockdown, gesundheitliche Folgen eines Lockdowns u.a auf Kinder, die keinen Sport mehr machen dürfen, Depressive Personen, sozial Schwache etc.).
Hier stellt sich dann die Frage, ob es mildere Mittel gibt, welche den Zweck ebenfalls erreichen können, die Grundrechte aber schützen. Zu berücksichtigen ist bei der Abwägung dann auch, dass die relevanten Kennzahlen im April deutlich höher gelegen haben und es gerade nicht zu einem Zusammenbruch des Gesundheitssystems gekommen ist.
Es gibt hier ja auch zunehmend – moderate- Vertreter der (Medizin)-Wissenschaft, die zu einem Strategiewechsel (Weg vom Gießkannenprinzip, verstärkter Schutz der Risikogruppen etc.) raten und den aktuellen Lockdown für falsch halten https://www.handelsblatt.com/…/positio…/26566150.html….
Aus diesen Erwägungen heraus dürfte die Beurteilung der Maßnahmen als verhältnismäßig fehlerhaft sein.